Die Herbstzeit erweitert das fränkische Bier-Angebot, um eine besondere Spezialität: Das Bockbier – in manchen Teilen auch Starkbier genannt. Bis in den kommenden Mai hinein feiern Bierbrauer und Bierliebhaber vielerorts diesen besonderen Gerstensaft mit seiner klar definierten Mindeststammwürze von 16% (beim Doppelbock gar von 18%).
Bis ins Mittelalter, genauer gesagt ins 13. Jahrhundert, und eine kleine Stadt im heutigen Niedersachsen namens Einbeck geht die Geschichte des Bockbieres zwar zurück, doch erst der Niedergang Einbecks legte den Grundstein für den Erfolg des heutigen Bockbieres.
In Bayerns Landeshauptstadt München schaute man im 16. Jahrhundert neidisch auf die Einbecker und ihren weltberühmten Gerstensaft. Ab etwa 1550 erfolgten regelmäßige Lieferungen an den bayerischen Hof, und 1612 wurde schließlich der Einbecker Braumeister Elias Pichler an das 1589 in München gegründete Braune Hofbräuhaus abgeworben, um den bisher mäßigen Ergebnissen der bayerischen Braukunst (jenseits des Weißbieres) auf die Sprünge zu helfen. Doch erst zwei Jahre später war ihm der erste befriedigende Sud, allerdings mit neuem, untergärigem Rezept, geglückt. Das im Volksmund “Ainpöckisches Pier” genannte Bier kam nicht nur bei den Münchnern gut an, sondern half ihnen auch während des Dreißigjährigen Krieges. Im Gegenzug für eine Lieferung von 344 Eimern des guten Stoffes sahen die Schweden 1632 von einer Plünderung der Stadt ab. Nachdem der Nachschub aus Einbeck durch den Krieg und seine Folgen versiegt war, waren die Münchner Brauer auf sich gestellt, und eine neue Erfolgsgeschichte des Bieres nach Einbecker Art sollte beginnen.
Aus “Ainpöksch” wurde “Pöcksch” und daraus am Ende “Bock”. Vor allem zu den klassischen Fastenzeiten (40 Tage vor Weihnachten und Ostern) wurde das kräftige Bier, denn die kirchliche Regel “Liquida non frangunt ieiunium – Flüssiges bricht das Fasten nicht” erlaubte durchaus nahrhaftes Bier als Ersatz für die verbotenen Speisen. Noch heute sind mit den Anstichen des neuen Bockbieres zu Beginn der Fastenzeiten große Feste in Bayern und Franken verbunden, nicht selten begleitet von Ritualen zur Bockbierprobe. Bei der bekanntesten wird eine Holzbank mit dem Bockbier übergossen. Anschließend setzen sich vier Burschen in Lederhosen für eine Stunde darauf. Auf ein Kommando stehen sie gleichzeitig auf. Bleibt die Bank an den Gesäßen kleben, ist das Bier stark genug, ansonsten ist es durchgefallen. Ähnliches ist auch von den “Ale Connors” aus England überliefert, die auf gleiche Weise die Bierqualität prüften.
Ebenso interessant und spannend ist noch die “Erfindung” des Doppelbockes durch die Paulanermönche. Die aus Italien stammenden Geistlichen waren im Zuge der Gegenreformation 1627 nach Bayern gekommen und hatten im ehemaligen Basilianerkloster in der Au Quartier bezogen. Die Mönche begannen kurz nach dem Einzug mit dem Brauen für ihren Hausgebrauch und versorgten bald auch schon Teile der Bevölkerung der Stadt – sehr zum Unmut der anderen Brauereien Münchens. Nach einigem Hin und Her erhielten die Paulaner 1780 die Genehmigung, ihr Bier offiziell zu verkaufen. Zum Dank schenkten sie am Fest des Ordensgründers Franz von Paula, dem 2. April, später am darauffolgenden Samstag, im Beisein des Kurfürsten und seines Hofstaates ein besondersstarkes Bier aus, das “Sankt-Vater-Bier”, aus dem sich im Volksmund bald der Name “Salvator” entwickelte. Es hatte deutlich mehr Gehalt als das bekannte Ainpöckische Bier. Nach der Säkularisation übernahm der Unternehmer Franz Xaver Zacherl die Brauerei und führte die Tradition dieses Starkbieranstiches fort.
Zwar ist der Name “Salvator” seit März 1896 patentrechtlich geschützt, doch die Brauereien orientierten sich auch weiterhin an der Namensgebung: Es gibt zahlreiche weitere Doppelbockbiere, deren Namen entweder auf -ator endet (Celebrator, Alligator, Bambergator etc.), oder die nach einem Heiligen benannt worden sind, wie beispielsweise Vitus, Korbinian oder Aloisius.
Die ultimative Steigerung ist übrigens der Eisbock, ein gefrorenes Bock- oder Doppelbockbier, das durch Ausfrieren des Wassers Alkoholgehalte bis an die 60% erreichen kann. Das aktuell stärkste Bier der Welt, der “SchorschBock” mit 57,5% Alkohol, ist ein Eisbock, der über mehrere “Runden” in der Tiefkühlung eine derart hohe Konzentration erreicht. Besuchen können Sie den Brauer, Georg Tscheuschner, in seiner gerade neu gebauten Brauerei im Gunzenhausener Ortsteil Oberasbach am fränkischen Brombachsee.