Ein Gespräch mit dem Hauptverantwortlichen des belgischen Bierkulturerbeantrags
Norbert Heukemes ist Generalsekretär des Ministeriums der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien. Die etwa 75.000 Mitglieder zählende Minderheit spielt in dem Königreich sowohl in Sachen Bevölkerung, als auch beim Bier keine große Rolle. Doch für die erfolgreiche Bewerbung für die Belgische Bierkultur als immaterielles Kulturerbe der Menschheit waren Heukemes und seine Landsleute entscheidend. Wir haben den 60-Jährigen auf einer Bier-Exkursion in Franken getroffen und nach den Hintergründen gefragt.
Herr Heukemes, warum waren gerade Sie entscheidend bei der Bewerbung der Belgier um das BierKulturerbe?
Die Idee, die belgische Bierkultur als immaterielles Kulturerbe vorzuschlagen, stammt vom belgischen Brauerbund (Brasseurs Belges). Auf seine Initiative hin haben die Flämische Gemeinschaft, die Französische Gemeinschaft und die Deutschsprachige Gemeinschaft – das sind in Belgien die für Kultur zuständigen Bundesländer – die Bierkultur in ihre nationalen Listen des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Dann haben wir gemeinsam überlegt, wie wir einen internationalen Antrag erfolgreich gestalten. Wir, die Deutschsprachige Gemeinschaft, hatten bis dato noch nie einen Antrag bei der UNESCO eingereicht. Deshalb hat man uns gebeten, die Initiative zu ergreifen.
Das heißt, Sie haben nur Ihren Namen hergegeben?
Nein, natürlich nicht. Wir haben uns fachlich in das Thema eingearbeitet, den Antrag gemeinsam mit den Experten der anderen Gemeinschaften ausformuliert, das Film- und Fotomaterial besorgt und die Einbindung der gesamten Kulturerbegemeinschaft in die Ausarbeitung des Antrags organisiert, unter anderem durch eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen. Zuletzt war ich dann auch bei der Verkündung 2016 in Addis Abeba persönlich vor Ort.
Sie haben sich also zuvor auch selbst mit dem Bier beschäftigt?
Ich muss zugeben, dass ich bis 2006 noch nicht wirklich viel mit der belgischen Biervielfalt anfangen konnte. Doch dann erhielt ich privat eine Anfrage aus Deutschland, ob ich nicht eine kleine Gruppe Interessierter in die Geheimnisse der belgischen Bierkultur einweihen könnte. Also habe ich eine Exkursion organisiert und mich dabei selbst mit dem Bier-Virus angesteckt. Seitdem macht unsere gemischte deutsch-belgische Freundesgruppe jedes Jahr eine Reise zum Thema Bier, so wie heuer (2017) nach Franken. Im vergangenen Jahr konnte ich sogar in meinem Heimatort meine eigene kleine Privatbrauerei mit einem 200-Liter-Sudhaus eröffnen.
Welche Biere brauen Sie da?
Ich braue typisch belgische Biere. Begonnen habe ich 2007 mit verschiedenen Testsuden zu Hause im Kochtopf. Danach mietete ich mich bei einem befreundeten Brauer ein, um meine Biere herzustellen. Mein Hauptbier ist ein obergäriges ‘Blonde’, das allgemein sehr beliebt ist.
Haben Sie die Diskussionen in Deutschland rund um den Kulturerbestatus des belgischen und deutschen Bieres mitbekommen?
Ausschließlich über meine deutschen Freunde. In Belgien selbst ist das kein Thema. Überhaupt kann ich die Aufregung nicht nachvollziehen. Es geht ja nicht darum, welches Bier oder welche Bierkultur am besten ist. Das ist kein Wettbewerb. Deutschland muss nicht traurig sein. Es hat sehr viele Trümpfe in der Hand, um auch seine Bierkultur in die Liste des immateriellen Kulturerbes eintragen zu lassen.
Und trotzdem fühlen sich manche deutsche Bierfans ungerecht behandelt…
Das entbehrt jeder Grundlage. Es gab noch gar keine deutsche Bewerbung auf nationaler Ebene zur Eintragung auf die Welterbe-Liste. Das bedeutet, dass die UNESCO sich bisher überhaupt nicht mit dem Thema beschäftigen konnte. Da muss halt ein Antrag eingereicht werden. Es gibt so viele Ansatzpunkte in Deutschland, an denen man eine Bewerbung mit hohen Erfolgsaussichten aufhängen könnte: die Zoiglwirtschaften, die Kommunbrauhäuser, die Biervielfalt in Franken, die Bierfestkultur, die Biergärten und Bierkeller usw. Wir in Belgien drücken die Daumen!
Wie haben Sie persönlich die Verkündung erlebt, und warum war das ausgerechnet in Äthiopien?
Der zwischenstaatliche Ausschuss der UNESCO tagte im Ende November 2016 in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba und entschied darüber, welche Kulturformen neu in die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen wurde. Als Antragssteller und auch persönlich war es mir sehr wichtig, da dabei zu sein. Der Moment der eigentlichen Entscheidung und die Glückwünsche der anderen Delegationen aus aller Welt waren für mich denn auch sehr beeindruckend. Ich habe dann sofort meine Ministerin verständigt, und sie hat dann die Öffentlichkeit informiert. Zur offiziellen Pressekonferenz war ich dann leider nicht rechtzeitig aus Äthiopien zurück. Übrigens wurde bei der Sitzung auch der Erfolg der deutschen Anträge für die Falknerei und für Idee und Praxis der Genossenschaften bekanntgegeben.
Ihre Region ist erst nach dem Ersten Weltkrieg zu Belgien gekommen, also vor ziemlich genau 100 Jahren. Fühlen sich die deutschsprachigen Belgier manchmal noch wie Deutsche?
Wir fühlen uns als Belgier deutscher Sprache. Wir haben das mal über ein Bild aus dem Fußball definiert: Wir haben die Bundesliga im Blick, aber tragen die Roten Teufel (das belgische Nationalteam) im Herzen. Ab und zu können wir eine wichtige Rolle für beide Länder spielen. Immer, wenn es darum geht, entweder den Deutschen ein belgisches Thema nahezubringen, oder den Belgiern ein deutsches, sind wir als Vermittler geschätzt. In Berlin haben wir – genau wie in Brüssel – eine eigene Landesvertretung.
Wie gehen Sie jetzt in Belgien mit dem Kulturerbe Bier um? Hat sich seit der Verkündung etwas verändert?
Die Prozesse sind alle noch im Gang. Einige haben gedacht, wir schreiben jetzt einfach auf jedes BierEtikett ‘Weltkulturerbe’ oder so ähnlich.. Das geht natürlich nicht. Wir klären gerade mit allen Akteuren, wer was in welcher Form sagen darf bzw. sagen soll. Neu ist allerdings schon eine Institution, das ‘Observatorium der Bierkultur’, wo alle Beteiligten zusammenkommen und sich zum Kulturerbe austauschen können. Da gibt es viele spannende Projekte, auf die wir uns sehr freuen.
Vielen Dank!